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Ratgeber: Kluft zwischen Arm und Reich – sind Deutsche wohlhabend?
Deutschland gilt vielen als eine der reichsten Industrienationen der Welt.
Ratgeber: Deutschland gilt als eine der reichsten Industrienationen der Welt. Das Problem hierbei ist aber die Frage, ob das für die Menschen gilt, die im Lande leben oder für den deutschen Staat. Will heißen, bedeutet der Reichtum einer Nation auch, dass seine Bewohner wohlhabend sind?
Dieser Frage soll auf den Grund gegangen werden. Doch die Antwort dürfte nicht allzu leicht zu finden sein, denn es ist nicht klar, ab wann ein Mensch als arm oder reich gilt. Dies sollte von mehreren Faktoren abhängig sein, dazu zählen natürlich das monatliche Einkommen und die Wohnsituation. Darüber hinaus spielt noch die Ausbildung mit hinein. Aber schon hier gibt es Unterschiede.
Ist jemand bereits ärmer, wenn er oder sie alleinerziehend ist und in einer kleinen und preiswerten Wohnung lebt, sich aber dafür gern teure Reisen und Ausflüge gönnt als jemand, der ein Haus in einem guten Wohnviertel bewohnt, sich dafür aber weniger andere Annehmlichkeiten im Leben leisten kann? Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, genaue Grenzen zu ziehen, und vielleicht ist das gar nicht möglich.
Forscher haben versucht, ein komplexeres Bild von der deutschen Gesellschaft zu zeichnen und eine Formel erstellt. Anhand eines Rechners kann man sehen, welche Position man in der Gesellschaft einnimmt.
Die Corona-Pandemie als Ausgangspunkt der Studie
Die Corona-Pandemie hat die Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt. Familien, die sich erst in den Abendstunden getroffen hatten, weil jeder außerhalb der Wohnung eigene Aufgaben zu erfüllen hatte, ist die Familie nun den ganzen Tag zusammen, sofern die Familienmitglieder keine systemrelevanten Berufe ausüben. So hockte man von morgens bis abends zusammen und eine beengte Wohnsituation kommt nun zum ersten Mal richtig an die Oberfläche. Insbesondere dann, wenn man im Homeoffice arbeiten muss, könnte das problematisch werden. Andere waren in Kurzarbeit oder verloren gar ihren Job.
Viele Menschen wissen nicht, was sie mit dem plötzlichen Überschuss an Freizeit anfangen sollen und spielen stundenlang im Ice Casino oder zocken mit der Konsole. Anderen wiederum gelingt es, sich neue Strukturen zu schaffen und beginnen, sich mit einem neuen Hobby zu beschäftigen oder sie treiben vermehrt Sport. Allerdings ist dies eher die Ausnahme und gelingt im Schnitt nur jenen Menschen, die sich nicht vor der Zukunft fürchten müssen, da sie einen unbefristeten Vertrag haben oder deren Beruf nicht durch die Pandemie beeinflusst wird.
Die deutsche Gesellschaft: Ein Forschungsansatz
Die Forschungsgruppe, bestehend aus den Teilnehmern Paul Blickle, Annick Ehmann, Philip Faigle, Julia Kopatzki, Christopher Möller, Julian Stahnke und Julius Tröger um den Soziologen Olaf Groh-Samberg, hat versucht, in ihrer Studie aufzuzeigen, wie arm und reich in unserer Gesellschaft verteilt sind.
Bereits im frühen Stadium der Studie stellten die Experten fest, dass mehrere Faktoren berücksichtigt werden müssen. Neben dem Einkommen sind auch die Wohnsituation sowie die Familienmitglieder zu betrachten, zum Beispiel ob diese auch im Arbeitsmarkt integriert sind. Die Forschung bezieht sich auf die Daten einer Langzeitforschung, die bis in die 80er Jahre zurückgeht und eine Gruppe von 16.000 privaten Haushalten umfasst.
Dass Team der Wissenschaftler teilte die Gesellschaft in sechs Schichten ein: Wohlhabenheit, Wohlstand, Mitte, untere Mitte, Prekarität und Armut. Dabei wählte das Team bewusst nicht das Wort „Reichtum“, sondern Wohlhabenheit und Wohlstand, denn wer beruflich abgesichert ist, Geld besitzt und großzügigen Wohnraum, ist nicht einfach nur reich, sondern besitzt auch mehr Privilegien.
Wer Geld hat, hat meist auch eine bessere Gesundheit, denn er kann sich eher Lebensmittel von besserer Qualität, ein Fitnessstudio und medizinische Behandlungen leisten als jemand aus den unteren Schichten.
Daher geben 65 Prozent der oberen Schichten an, mit der Gesundheit zufrieden zu sein, während die unteren Schichten nur zu 45 Prozent sagen, dass sie sich bester Gesundheit erfreuen.
Weitere Dinge, die Arme von Reichen unterscheidet, sind die Interessen. So ist kaum jemand aus den unteren gesellschaftlichen Schichten wirklich an Politik interessiert. Auch haben nur 16 Prozent angegeben, regelmäßig Museen, Theater oder Konzerte zu besuchen, was nicht zuletzt an den höheren Kosten liegen dürfte.
Die gesellschaftliche Mitte ist in Gefahr
In den letzten vier Jahrzehnten hat sich viel verändert. Der Anteil der Menschen, die zur Kategorie der Armen gehören, lag damals bei rund 8 Prozent. Heute sind es hingegen bereits 12 Prozent. Auch am anderen Ende der Skala hat sich einiges getan. Die Anzahl der Menschen, die sich alles leisten können und im Wohlstand leben, liegt anteilmäßig bei 11 Prozent. In den 80er Jahren waren es nur 6 Prozent. Dass die oberen und unteren gesellschaftlichen Schichten hinzugewonnen haben, ist allerdings zulasten der gesellschaftlichen Mitte gegangen.
Nach Aussagen der Forscher sei die Kluft zwischen Arm und Reich besonders seit der Jahrtausendwende stark angewachsen, mit steigender Tendenz. Damit verstärkten sich auch alle anderen Aspekte, denn wer ein gutes Einkommen hat, der hat meist auch mehr Rücklagen, größeren Wohnraum und berufliche Sicherheit, während Armut meist mit unsicheren Arbeitsverhältnissen einhergeht. Doch woran liegt das? Arbeit gibt es in Deutschland schließlich zur Genüge.
Tausende Menschen konnten in einen gut abgesicherten Arbeitsplatz gebracht werden. Allerdings sind auf der anderen Seite auch viele schlecht bezahlte Arbeitsplätze entstanden. Der Aufschwung kam demnach eher jenen Menschen zugute, die sowieso bereits gut im Arbeitsmarkt integriert waren. Und schließlich gibt es einen weiteren Grund für die anwachsende gesellschaftliche Kluft. In den letzten Jahren sind zahlreiche Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, allerdings mit eher niedrigem Bildungsniveau. Die beeinflussen natürlich auch die Statistiken. Dennoch sind sich die Forscher darüber einig, dass die Kluft auch dann bestanden hätte, wenn man die Migration herausgerechnet hätte.
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